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FiJ_3-13__ePaper

TITELTHEMA | Alzheimer Frage: Was bringt eine Frühdiagnose der Alzheimerdemenz? Prof. Sturma: Erhebliche Probleme, aber auch sehr viele Optionen. Langfristige Perspektiven, die sich zum Beispiel in Pa- tientenverfügungen ausdrücken, und Ge- genwartsinteressen, die sich in einem ganz bestimmten Erlebniszustand erge- ben, können in einen dramatischen Konflikt miteinander geraten. Das zeigt das Beispiel des kürzlich verstorbenen Schriftstellers und Rhetorikprofessors Walter Jens. Er hat sich vor seiner De- menzerkrankung gegen lebensverlän- gernde Maßnahmen ausgesprochen, falls er seine geistigen Fähigkeiten verlieren sollte. Dann aber hat er – mit seinen letz- ten Möglichkeiten der Bekundung, schon im fortgeschrittenen Alzheimerstadium – deutlich gemacht: Ich möchte nicht ster- ben. Im Fall von Walter Jens waren es die Worte: „Nicht totmachen, bitte nicht tot- machen.“ Kein Arzt oder Angehöriger würde sich in dieser Situation zumuten, das Leben hier enden zu lassen. Frage: Gibt es ein Recht auf Wissen? Prof. Sturma: Sicher, es gibt eine Reihe von Menschen, die sagen, ich möchte das wissen. Zum Beispiel, um Vorkehrun- gen zu treffen und das Leben zu ordnen. Auf der anderen Seite gibt es auch das Recht auf Nichtwissen. Wenn jemand die Diagnose ein Dutzend oder sogar 15 Jah- re vorher bekommt, dann wird er diese 15 Jahre nicht mehr in der Weise leben können, wie unter den Bedingungen von Nichtwissen. Gleichzeitig entwickeln etli- che der Patienten mit Amyloid-Plaques im Gehirn gar keine Demenz. Diese Men- schen leben dann viele Jahre unter ei- nem Damoklesschwert. Das beeinflusst die Möglichkeiten, ihr Leben selbst zu bestimmen, grundlegend. Es ändert sich natürlich alles, wenn es plausible Erwar- tungen auf eine Therapie gibt. Frage: Sind Mediziner auf diese ethi- schen Konflikte gut vorbereitet? Prof. Sturma: Nein, in der Regel nicht. Ein mehrsemestriges ethisches Begleit- studium gehört meiner Meinung nach unbedingt zur medizinischen Ausbildung. Denn Entscheidungen über Leben und Tod stellen sich heute in allen Lebens- phasen: vom Embryo bis zu lebensver- längernden Maßnahmen bei komatösen Patienten. Es gibt eine zu geringe profes- sionelle Auseinandersetzung mit diesen vielschichtigen Situationen. Dazu gehört auch, Regelungen zu finden, wie Patien- ten im Fall von demenziellen Erkrankun- gen Risiken und Diagnosen mitgeteilt werden sollten. :: Das Gespräch führte Brigitte Stahl-Busse. Was bringt eine Diagnose ohne Therapie? Die Alzheimerdiagnostik steht vor einem Umbruch: Neue Marker zeigen Amyloid- Plaques schon zehn bis zwanzig Jahre vor den ersten Anzeichen der Krankheit. Aber diese Diagnose stellt Ärzte und Patienten vor enorme Konflikte. Denn: Eine Therapie ist kurzfristig nicht in Sicht und die Rolle der Plaques noch nicht eindeutig geklärt. Prof. Dieter Sturma vom Jülicher Institut für Neurowissenschaften und Medizin, Bereich Ethik in den Neurowissenschaften (INM-8), nimmt hierzu in einem Interview Stellung. Die neuen Radiopharmaka, die Amyloid- beta-Plaques per Positronenemissions- tomografie (PET) im lebenden Gehirn aufspüren, heißen: Florbetapir, Florbe- taben und Flutemetamol. Für die For- schung steht zudem eine Substanz zur Verfügung, die PiB (Pittsburgh com- pound B) genannt wird. Damit können potenzielle Medikamente nun viel früher und an der richtigen Patientengruppe getestet werden. Neue Diagnoseverfahren unterstützen die Forschung Denn bisherige Tests, ob eine Alzhei- merkrankheit vorliegt, sind zu 30 Pro- zent falsch. An der Zulassungsstudie für Florbetaben war das Forschungszen- trum Jülich beteiligt. Gleichzeitig ermög- lichen die neuen Marker eine Verlaufs- kontrolle. Florbetaben wird in Zukunft auch dafür eingesetzt, um zu verfolgen, wie das Jülicher Peptid D3 die Amyloid- Plaques im Gehirn lebender Alzheimer- Mäuse reduziert. Prof. Dieter Sturma, Leiter des Bereichs Ethik in den Neurowissenschaften 3|2013 Forschen in Jülich 11 Institut

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