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FiJ_3-13__ePaper

Forschen in Jülich 3|201318 N achdem beim Formel-1-Rennen in Silverstone am 30. Juni gleich von vier Wagen spektakulär Reifen zer- platzten, zitierten Nachrichtenagenturen Paul Hembery, den Motorsportdirektor des Reifenherstellers: „Wir haben etwas gesehen, das wir nicht verstehen.“ Tat- sächlich ist das Entwickeln von Reifen auf bestimmte Ansprüche hin nicht nur in der Formel 1 immer noch von aufwendigen Versuchsreihen geprägt – und weniger von der Einsicht in die komplizierten Zu- sammenhänge zwischen Gummimischun- gen und den Eigenschaften des Reifens. Auf dem besten Wege, dies zu ändern, sind die Jülicher Wissenschaftler Dr. Bo Persson und Dr. Boris Lorenz. Namhafte Reifenhersteller weltweit beachten ihre Arbeit. Reifen, Reibung und schlaue Rechnungen Autofahrer wünschen sich Reifen, die Sprit sparen, bei jedem Wetter sicher sind und möglichst langsam verschleißen. Und Produzenten wünschen sich, solche Reifen zielgerichtet am Computer entwickeln zu können, ohne dafür Abertausende von Gummimischungen und Testreifen herstellen zu müssen. Jülicher Forscher arbeiten daran, diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen. muss man die Rauigkeit der jeweiligen Flächen auf vielen Längenskalen – vom tausendstel Millimeter bis zum Zentime- ter – berücksichtigen. Konkret hat Pers- son in Analogie zur Mikroskopie einen „Vergrößerungsfaktor“ in seine Theorie eingeführt, um die Rauigkeit in immer kleineren Dimensionen zu betrachten. PROGRAMM BERECHNET REIBUNG Anschließend ließ Persson seine Überle- gungen zur Kontaktmechanik in eine ebenfalls neue Theorie der Gummirei- bung einfließen. Diese überführte er in ein Computermodell. Das Programm läuft auf einem normalen PC, weil es sich um ein analytisches und nicht um ein numerisches Modell handelt, also ei- nes mit Gleichungssystemen, die exakt lösbar sind und keine Näherungen benö- tigen. Die Wissenschaftler geben dem Computer neben der gut messbaren Rauigkeit der Straße einige wenige Da- ten zur Elastizität und zum Temperatur- verhalten der betrachteten Gummimi- schung ein. Daraus berechnet das Programm die Haftreibung des Reifens auf der Straße, unter anderem in Abhän- gigkeit vom sogenannten Schlupf: Beim Bremsen beispielsweise dreht sich der Reifen etwas langsamer, als es der Ge- schwindigkeit des Fahrzeuges ent- spricht. Der Reifen gleitet somit über die Fahrbahn, wobei der Anteil dieses Glei- tens als Schlupf bezeichnet wird. Eine solche Theorie wie die von Persson steht und fällt damit, ob die be- rechneten Werte mit den Werten über- einstimmen, die in der Praxis gemessen Befeuert wird das Interesse der Rei- fenhersteller durch eine EU-Verordnung, die seit November 2012 in Kraft ist: Da- nach müssen sie ihre Reifen mit einem Etikett versehen, das jeden Verbraucher auf einen Blick erkennen lässt, wie gut der Reifen bei Nässe auf der Straße haf- tet, wie er sich auf den Kraftstoffver- brauch auswirkt und wie laut er rollt. „Selbstverständlich verstärken die Her- steller dadurch noch einmal ihre An- strengungen, ihre Produkte auf diese Kriterien hin zu optimieren“, sagt Ma- schinenbauingenieur Lorenz. Und der Schlüssel zu dieser Optimierung ist es, die Haftreibung von Gummi erklären und aus Basisdaten errechnen zu können. Mit diesem Ziel trat Persson vor rund 15 Jahren erstmals an. Damals entwi- ckelte der Physiker eine völlig neuartige Theorie dazu, wie groß die reale Berüh- rungsfläche ist, wenn zwei Körper mitei- nander in Kontakt kommen. Im spezi- ellen Fall geht es dabei um den Kontakt zwischen Reifen und Straße. Die Frage ist aber unter anderem auch für die Funkti- onsfähigkeit von technischen Dichtungen bedeutsam. Perssons Credo: Bei der Be- rechnung der wahren Kon- taktfläche zweier Körper Entwickelte eine Apparatur, mit der sich die Reibung von Reifengummi ermitteln lässt: Dr. Boris Lorenz.

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