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Forschungszentrum Jülich - Forschen in Jülich 3_2012

3|2012 Forschen in Jülich 19 etwas zu viel, ohne krank zu sein“, be- tont er. Frauke Schröder – Referendarin für Chemie und Spanisch – schätzt sich ebenfalls glücklich: „In nur drei Tagen habe ich alle Namen der neuen Schüler, die ich zurzeit unterrichte, auswendig gewusst. Auch chemische Formeln kann ich mir aufgrund der farblichen Assozia- tionen sehr gut merken.“ In der aktuellen Studie wollten die Forscher nun wissen, ob die anatomisch veränderten Bereiche untereinander auch verstärkt kommunizieren. Hierzu untersuchten sie die Ruheaktivität des Gehirns von insgesamt 24 Probanden – zwölf Synästheten und zwölf Studienteil- nehmer ohne diese besondere Gabe. SELBST IN RUHE KEINE FUNKSTILLE Die Aufgabe für die Probanden laute- te: entspannen, Augen schließen und an nichts denken. Dr. Anna Dovern, die alle Probanden mittels funktioneller Kern- spintomografie untersuchte, berichtet: „Im Gehirn ist immer etwas los, auch in Ruhephasen. Wir wollten feststellen, welche Gehirnregionen ohne äußere Rei- ze miteinander gekoppelt sind.“ Gemein- sam mit dem Münchener Team um Dr. Valentin Riedl werteten die Jülicher Wis- senschaftler die komplexen Datensätze aus. Das Ergebnis war eindeutig: Bei Sy- nästheten war die Kopplung in den ein- zelnen Netzwerken stärker ausgeprägt und es bestand zudem eine dreifach intensivere Kopplung zwischen den Netzwerken. Dabei fanden die Forscher heraus, dass nicht nur die für Farbwahr- nehmung und Sinnesverknüpfung zu- ständigen Bereiche ein starkes Netzwerk betreiben, sondern auch Regionen des Gehirns involviert sind, die für Hörein- drücke zuständig sind. Das kann auch Frauke Schröder aus eigener Erfahrung bestätigen. Wenn sie ein Buch liest, sind die Worte für sie schwarz gedruckt auf weißem Papier – gesprochen oder ge- hört jedoch kleidet sich der Freitag in grün, ihr eigener Name in Gelbtönen und der Sonntag erscheint rabenschwarz. „Ob es etwas damit zu tun hat, dass nach dem Sonntag wieder eine Arbeits- woche wartet?“, fragt sie scherzhaft. „Mittwochs hatte ich als Kind immer Tur- nen – und der Wochentag Mittwoch ist bei mir schon immer, seit ich denken kann, rot“, sagt die angehende Gymnasi- allehrerin. Wie stark die Sinneseindrücke bei den untersuchten Synästheten jeweils verankert sind, konnten die Wissen- schaftler an den Gehirnscans ablesen. „Ganz eindeutig korreliert die Stärke der Kopplung mit der Konsistenz der synäs- thetischen Wahrnehmung der einzelnen Synästheten“, erklärt Weiss-Blanken- horn. Denn die Assoziation zwischen Farben und Zahlen sind individuell unter- schiedlich intensiv. „Das spiegelt sich eindeutig auch in den Netzwerkstruktu- ren der Studienteilnehmer wider“, freut sich Weiss-Blankenhorn. Nicht beantworten können die For- scher jedoch die Frage, ob Synästheten FORSCHUNG IM ZENTRUM | Synästhesie ihre zusätzlichen Fähigkeiten einem be- sonderen Netzwerk verdanken oder aber die Fähigkeiten selbst erst für die ver- stärkte Kopplung sorgen. Anna Dovern sagt: „Hierzu müsste man Synästheten von frühen Kindesbeinen an über Jahre hinweg systematisch untersuchen. Nur so könnte man feststellen, ob die außer- gewöhnlichen Netzwerkstrukturen ange- boren sind oder ob die Zusatzbegabung über die Zeit ihre Spuren im Gehirn hin- terlässt, ähnlich eben wie ein Trainings- effekt beim Jonglieren.“ NEUE WEGE DER REHABILITATION Neurologe Weiss-Blankenhorn wertet die Untersuchungen als enorm hilfreich für die Klinik. Denn je mehr die Wissen- schaftler und Ärzte über unterschiedli- che gesunde Netzwerke im ruhenden Gehirn wissen, desto besser können sie Funktionsstörungen im Gehirn schwer erkrankter Menschen einschätzen. Bei Schlaganfallpatienten sei dank der mo- dernen bildgebenden Verfahren die be- troffene Stelle im Gehirn sehr gut zu lo- kalisieren, beschreibt er die Situation. „Wir sehen es in der Praxis aber immer wieder, dass zwei Patienten, die am glei- chen Ort im Gehirn eine Läsion haben, schlussendlich ganz unterschiedliche Defizite zeigen“, fügt er an. „Das lässt sich nur so erklären, dass das Netzwerk bei beiden unterschiedlich angelegt ist.“ Gleichzeitig wollen die Mediziner verste- hen, wie das Gehirn der Patienten stimu- liert werden kann, um das Netzwerk wie- der zu verbessern. So könnten in Zukunft die durch den Schlaganfall entstandenen Defizite teilweise oder unter günstigen Bedingungen sogar gänzlich kompensiert werden. :: Die Farbwahrnehmung ist bei jedem Syn- ästheten individuell unterschiedlich – sie bleibt jedoch lebenslang konstant. Eine besondere Form der Synästhesie ist das Erzeugen von Farbeindrücken durch Töne. Der amerikanische Komponist Michael Torke verfügt beispielsweise über diese Zusatzbegabung. Für Frauke Schröder ist die Woche bunt sortiert: Der Mittwoch war für sie schon immer rot.

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