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Forschungszentrum Jülich - Forschen in Jülich 2_2012

2 | 2012 Forschen in Jülich 13 FORSCHUNG IM ZENTRUM | Neuromodulation Frage: Herr Professor Tass, was sind die zentralen Ergebnisse der kürzlich veröffentlichten Studien? Tass: Das wichtigste Ergebnis unserer kontrollierten Studie an 63 Tinnitus-Pati- enten lässt sich sehr einfach zusammen- fassen: 75 Prozent der Patienten haben deutlich oder sehr deutlich von der The- rapie profitiert. Das bedeutet, dass die Patienten ihren Tinnitus subjektiv deut- lich leiser und weniger belästigend emp- finden. Objektiv konnten wir mittels EEG* nachweisen, dass sich durch die Therapie die Hirnströme der Patienten positiv verändern und die krankhaft syn- chronen Nervenzellaktivitäten nachlas- sen. Auch vier Wochen nach Ende der Therapie war der Effekt noch da – der Tinnitus hatte sich nach wie vor signifi- kant gebessert. Frage: Werden die synchron feuernden Nervenzellen durch die Frequenzen Ih- rer Methode blockiert oder übertüncht? Tass: Nein. Das ist gerade der Unter- schied der CR® -Methode zu anderen Ansätzen wie Rauschgeneratoren. Wir wollen die synchron arbeitenden Ner- venzellverbände gerade in ihrem krank- haften Frequenzbereich aktiv sein lassen – aber asynchron! Denn nur Nervenzel- len, die aktiv sind, können lernen und verlernen. Eine Unterdrückung alleine hat keinen langanhaltenden Effekt. Frage: Welche weiteren Patientenstudi- en sind geplant? Tass: In Deutschland ist gerade eine wei- tere Anwendungsstudie gestartet, in de- ren Verlauf Ärzte 200 Patienten ein Jahr lang therapieren und danach mehrere Monate beobachten werden. Außerdem wird in England zurzeit eine Studie mit 100 Patienten vorbereitet. Wir planen zudem eine Testreihe in Jülich, um per EEG* die CR® -Therapietöne objektiv und ganz individuell an die krankhafte Syn- chronisation im Gehirn des Patienten an- zupassen. Bisher muss der Patient die Tonhöhe seines Tinnitus selbst einschät- zen. Doch das gelingt selbst Profimusi- kern nicht immer hinreichend gut. Der Erfolg der Therapie ist jedoch genau da- von abhängig, dass wir im richtigen Fre- quenzbereich stimulieren. Frage: Hält die CR® -Methode bald Ein- zug in den klinischen Alltag? Tass: Ja. In der Zwischenzeit wurden in Europa circa 2 500 Patienten erfolgreich mit unserer CR® -Therapie behandelt. Zu- nehmend werden spezialisierte CR® - Therapiezentren aufgebaut. Neben den schon bestehenden Zentren in London und Budapest werden wir gemeinsam mit der Psychiatrie der Universitätsklinik Salzburg ein großes Tinnituszentrum auf- bauen. Tinnitus-Patienten mit Schwere- grad vier sind häufig depressiv. Ihnen möchten wir eine psychiatrisch begleite- te CR® -Therapie anbieten. Frage: Bei welchen Krankheiten könnte die CR® -Methode auch zum Einsatz kommen? Tass: Grundsätzlich wenn eine krankhaf- te synchrone Nervenzellaktivität im Ge- hirn vorliegt – wie bei Parkinson oder Epilepsie –, aber auch bei Dystonie, Schmerz oder ADHS**. :: „2 500 Patienten behandelt“ Prof. Peter A. Tass hat mit der Coordinated Reset® -Methode (CR® -Methode) einen An­satz entwickelt, der Tinnitus-, aber auch Parkinson- oder Epilepsie-Patienten hel- fen kann. Der positive Effekt der Methode ist sogar in den Gehirnströmen ablesbar, wie Tass und sein Team in aktuellen wissenschaftlichen Publikationen darlegen. Pfeifen, Rauschen, Sirren: Drei Millionen Deutsche leiden unter Tinnitus. Die Ur- sachen liegen sowohl im Ohr als auch im Gehirn. Meist ist eine Hörschädigung der erste Schritt in Richtung Dauerton. Denn salopp ausgedrückt langweilen sich die Synchrones Dauerfeuer verursacht Tinnitus für den ausgefallenen Hörbereich zu- ständigen Nervenzellverbände. Sie ver- fallen in ein synchrones Dauerfeuer elektrischer Signale, das der Patient als störendes Geräusch wahrnimmt. Die in Jülich entwickelte Coordinated Reset® - Methode bewirkt, dass die Nervenzellen ihren Synchrontakt durch zuvor genau berechnete und auf den Tinnitus des ­Patienten abgestimmte Störfrequenzen verlernen und in ein gesundes Chaos ­zurückfinden. Prof. Peter A. Tass * EEG (Elektroenzephalogramm): eine nichtinva- sive Methode, um Hirnströme zu messen. ** ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivi- tätsstörung): massive Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen sowie extreme Hy- peraktivität bei Kindern und Jugendlichen.

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