Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

Forschungszentrum Jülich - Forschen in Jülich 1_2013

15 FORSCHUNG IM ZENTRUM | Sternenschmelze 1|2013 Forschen in Jülich Im Orionnebel, hier zu sehen durch das Hubble-Weltraumteleskop, ver- dichten sich Gase und Sterne. Der farbenfrohe Emissionsnebel ist eine der produktivsten Sternenfabriken der Milchstraße. physikerin zum Ausgangspunkt ihrer For- schung macht: „In den Sternenhaufen umkreisen sich viele Doppelsterne in en- gen Bahnen, während dies im Feld so viel seltener vorkommt.“ Diese Doppel- sterne verschwinden also, wenn sich der Cluster im Lauf der Zeit auflöst und zum Feld wird. Aber warum? Der Astrophysiker Steven Stahler hat dazu vor zwei Jahren eine Theorie aufge- stellt: Das Gas im Cluster bremst die Umlaufbahn der Sterne, bis sie, nach Millionen von Jahren, zu einem größeren Himmelskörper verschmelzen. So wäre das Dasein als Doppelstern nur eine Epi- sode im Leben mancher Sterne, wie das der Raupe beim Schmetterling. Allerdings sind astronomische Theori- en, die eine Entwicklung beschreiben, kaum zu prüfen. Die Prozesse dauern viel zu lang, um sie zu beobachten – falls es mit Teleskopen überhaupt möglich ist. „Es wäre schon praktisch, den Orion- nebel in eine Box zu stecken und im Zeit- raffer zuzuschauen, was passiert“, meint Christina Korntreff. Am JSC macht sie genau das – wenn auch nur in groben Zügen. Um dem Ver- schwinden der Doppelsterne auf die Spur zu kommen, hat sie mit ihren Kolle- gen auf dem Supercomputer JUROPA ei- nen Sternenhaufen nachgebildet, der die physikalischen Eckwerte des Orionne- bels hat: 4.000 Sterne und eine ver- gleichbare Verteilung von Massen, Um- laufzeiten und Gasen. Eine besondere Herausforderung bei dieser Simulation war die möglichst präzise Berechnung der Gravitationskräfte. Denn Gravitati- onsgleichungen mit mehr als zwei Kör- pern sind heikel – man kann sie nur nä- herungsweise lösen, wie Gleichungen zur Bestimmung der Zahl Pi. Mathemati- ker sprechen vom N-Körper-Problem. „Hilfreich war, dass ich hier auf einen bereits bestehenden Simulationscode zurückgreifen konnte. Dieser behandelt besonders enge Doppelsterne geson- dert, so dass ihre interne Wechselwir- kung nicht die gesamte Simulation ver- langsamt“, erzählt die Astrophysikerin. GAS WIRKT WIE HANDBREMSE Im Rahmen der Simulation des Clus- ters berechnete sie dann, wie nach Stah- An ihrer Disziplin fasziniert sie, „dass man überhaupt etwas über die weit entfernten Sterne herausfinden kann“. Tatsächlich liefern astronomische Beob- achtungen lediglich Momentaufnahmen – doch theoretische Astrophysiker wie die Kölnerin schärfen unser Bild vom Universum, indem sie diese Daten inter- pretieren. DOPPELSTERNE VERSCHWINDEN So weiß man etwa, dass rund 60 Pro- zent aller Sterne Doppelsterne sind. Manche von ihnen umkreisen einander in wenigen Stunden, andere in vielen Tausend Jahren. Auffällig ist aber, dass in den Clustern rund 75 Prozent aller Ster- ne Doppelsterne sind, während das in den Feldern – wo auch unsere Sonne wandert – nur auf 50 Prozent der Sterne zutrifft. Wie ein Puzzlestück passt dazu ein anderes Missverhältnis, das die Astro- lers Theorie Gas und Doppelsterne wechselwirken und welche Folgen dies für die Population der Doppelsterne im Cluster hat. „Wir waren überrascht, wie klar unsere Simulation die beobachteten Doppelstern-Populationen hervorbringt, die man zwischen Feld und Cluster be- obachtet hat“, sagt Korntreff. Das spricht dafür, dass in den Sternenhaufen wirklich geschieht, was Stahlers Theorie vorhersagt: Die Schwerkraft der Sterne zieht Gas an. Das Gas verdichtet sich so sehr, dass es durch seine Anziehungs- kraft den Stern abbremst, wenn er wei- terwandert – wie eine leicht angezoge- ne Handbremse. So wird die Umlaufbahn immer enger. Doppelsterne, die sich mit dem hundertfachen Sonnen-Erde-Ab- stand umkreisen, nähern sich innerhalb einer Million Jahre so weit aneinander an, dass sie erst Materie austauschen – was man sich wie eine Nabelschnur vor- stellt – und dann miteinander ver- schmelzen. „Dank dieser Simulation verstehen wir besser, wie die Doppelsterne ver- schwinden und was geschieht, wenn ein Cluster sich entwickelt“, erklärt die Ast- rophysikerin die Bedeutung ihrer Arbeit für die Forschung. Bei der Arbeit mit den Supercomputern profitierte sie vom Aus- tausch mit den Kollegen am JSC. Fachli- che Betreuung fand sie dagegen bei ihrer Doktormutter Prof. Susanne Pfalzner am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn (MPIfR). Mit dieser und einem weiteren Kollegen vom MPIfR hat sie kürzlich erste Ergebnisse in der Fach- zeitschrift „Astronomy and Astrophy- sics“ vorgestellt. :: Christoph Mann Institut Originalpublikation

Pages