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Forschungszentrum Jülich - Jahresbericht 2012

Wissenschaffen Jahresbericht 2012 | Forschungszentrum Jülich 31 bildet, bevor schließlich das korrekt ge- formte Protein fertig ist. Denn hier ist das Molekül auf einer gefährlichen Grat- wanderung: Aus dem Zwischenstadium kann einerseits das funktionsfähige Mo- lekül hervorgehen. Andererseits kann aber auch eine fehlerhafte Variante ent- stehen, die dazu neigt, sich mit anderen Molekülen zu verbinden. Ist dieser ver- hängnisvolle Vorgang einmal angesto- ßen, heften sich an das zunächst winzige Aggregat immer mehr Proteinmoleküle an – es entstehen die gefürchteten Amy- loid-Fibrillen. Wenn diese nicht durch die „Müllabfuhr“ der Zelle beseitigt werden, gehen die Zellen daran zugrunde. An ih- rer Stelle finden sich dann im Hirn die Proteinklumpen, die schon Alois Alzhei- mer im Mikroskop beobachtete. Neudecker sah sich darum das Zwi- schenstadium genauer an, das auf der Kippe steht zwischen dem funktionie- renden Protein und den gefährlichen Fi- Hier im Vergleich dazu das korrekt gefaltete Molekül. brillen. Er nutzte dafür ein speziell für kurzlebige Molekülzustände weiterent- wickeltes Verfahren der Kernspinreso- nanz-Spektroskopie, auch kurz NMR (für englisch „Nuclear Magnetic Resonance“) genannt. In atomarer Auflösung zeigt es die exakte dreidimensionale Form des flüchtigen Gebildes, das nur für wenige tausendstel Sekunden existiert. Doch Neudeckers Team gelang es, das Mole- kül in diesem entscheidenden Augen- blick genau zu beobachten. „Dieses Sta- dium ist notwendig, damit sich das Protein in weniger als einer Sekunde richtig falten kann“, erklärt er. „Doch wenn es schlecht läuft, kann dieses Sta- dium eben auch die Bildung von Fibrillen auslösen.“ In seinen Experimenten, die er im Wesentlichen an der Universität Toronto durchführte, stellte Neudecker fest: Über das Schicksal des „Wackelkandida- ten“ entscheidet die Anordnung von nur vier Aminosäuren in dem aus 59 dieser Bausteine bestehenden Molekül. Sie bil- den das Ende des Proteinfadens und le- gen sich normalerweise annähernd par- allel neben die ersten Aminosäuren des Moleküls. So können sich keine weite- ren Proteine an das Molekül anlagern. Bei dem Zwischenstadium ist aber gerade dieser schützende letzte Ab- schnitt des Moleküls noch nicht gefal- tet. Der Anfang des Proteinfadens liegt offen und ungeschützt da, so dass sich andere Proteinmoleküle hier anheften können. Das kann der Beginn einer ver- hängnisvollen Kettenreaktion sein, bei der sich erst kleine, dann größere Fibril- len und schließlich Plaques bilden. Risiko steigt mit dem Alter Woran es genau liegt, dass die Gratwan- derung manchmal zum Absturz führt, wissen die Forscher nicht. „Zum Glück ist die Bildung der ersten Aggregate – die sogenannten Nukleation – ein recht seltenes Ereignis“, berichtet Neudecker. „Es ist stark davon abhängig, wie viele Moleküle der zur Aggregation neigenden Proteinvariante zusammentreffen.“ Doch mit zunehmendem Lebensalter steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich solche Moleküle ansammeln, und Reparaturme- chanismen arbeiten weniger effektiv. „Auch Umwelteinflüsse, wie natürliche oder künstliche Chemikalien, stehen als Mittäter im Verdacht, das Entstehen von Amyloid-Fibrillen zu begünstigen, eben- so wie genetische Defekte“, erläutert Neudecker. Er hofft, dass seine Erkenntnisse da- zu beitragen werden, eine frühzeitige Di- agnostik der Alzheimer-Erkrankung zu ermöglichen und letztlich auch die Ent- wicklung von wirksamen Medikamenten. Für seine Arbeiten wurde Philipp Neude- cker im September 2012 mit dem Ul- rich-Hadding-Preis des Biologisch-Medi- zinischen Forschungszentrums der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf ausgezeichnet. Bei der Faltung eines Proteinmoleküls tritt dieses Zwischenstadium auf, das unter ungünstigen Umständen zur Verklumpung neigt.

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